Hamburg will sein Image-Problem lösen
Ole von Beusts CDU möchte eine größere, schickere Stadt – und die Olympischen Spiele 2012
Von Reymer Klüver
Es läuft gerade gut für Ole von Beust. Mit großem Abstand ist der Erste Bürgermeister der beliebteste Politiker Hamburgs. Beust ist das erste christdemokratische Oberhaupt der Hansestadt seit fast einem halben Jahrhundert, und der politische Farbwechsel scheint in der einstigen roten Hochburg fürs Erste zementiert zu sein: 2001 schaffte die CDU gerade 26 Prozent und konnte nur mit Hilfe von gleich zwei Koalitionspartnern die Wende bewerkstelligen. Jetzt käme die Union allein schon auf 42 Prozent, und die SPD läge abgeschlagen bei 26. Das klingt nach bayerischen Verhältnissen in Deutschlands zweitgrößter Stadt.
Daran dürfte nicht nur der allgemeine Schröder-Frust schuld sein. Es läuft auch deshalb so gut für die Union, weil Beust es verstanden hat, ein Thema an seine Person zu binden, das jenseits der Tagespolitik zu liegen scheint. Vision nannte man so etwas früher: Hamburg, verkündet er, soll wieder Weltstadt werden. Das kommt an, stärkt das Selbstwertgefühl in der Elb-Metropole – und es stärkt ihren obersten Repräsentanten. Gerade die hiesige CDU hatte nämlich manchen Wahlkampf durch eine Strategie verloren, welche die selbstbewussten Hanseaten als miesmacherisch empfanden.
Ziel: zwei Millionen Einwohner
„Wachsende Stadt“ hat die Union das Konzept genannt. Und damit zunächst einmal das ganz profane Ziel gemeint, dass Hamburg, das derzeit 1,7 Millionen Einwohner hat, zur Zwei-Millionen-Stadt werden soll. Dabei hieß es bislang immer, dass Hamburg aus allen Nähten platzt. Weswegen Häuslebauer und Unternehmen (und mit beiden die Steuereinnahmen) seit Jahrzehnten in den Speckgürtel nach Schleswig-Holstein und Niedersachsen ziehen. Tatsächlich aber hat die Stadt – vor allem an der Elbe – genug Freiflächen, ohne dass auch nur ein Baum städtischen Grüns geopfert werden müsste. Die bloße Zahl von zwei Millionen, das gibt Beust zu, hat eher symbolischen Charakter. Nicht aber der Anspruch, der mit dem Stadtentwicklungskonzept verbunden wird: „Hamburg“, sagt der Bürgermeister, „soll sich wieder als die deutsche Wirtschaftsmetropole profilieren.“
Maliziös könnte man das Ganze als PR-Masche abtun. Oder auch als eine Art self fulfilling prophecy, eine Voraussage, die, wenn man sie sich und anderen nur lang genug einredet, tatsächlich irgendwann Realität wird. Doch es existieren inzwischen ein paar Bausteine des Konzeptes, die es nicht mehr nur als reine Schimäre erscheinen lassen. Im lange vernachlässigten Süden der Stadt sind auf einmal drei Baugebiete für 1500 Familien in konkreter Planung, ebenso eines im grünen Nordosten. Und die City selbst soll architektonisch aufgemotzt werden. Erst vor ein paar Tagen hat Werner Otto, der Senior des Versandhaus-Riesen, der Stadt fünf Millionen Euro gespendet für die Sanierung des Jungfernstiegs, des im Chic der sechziger Jahre erstarrten traditionellen Flanierboulevards an der Alster. Auf dem Domplatz, der heute recht profan als Parkplatz genutzt wird, soll bis zum Ende des Jahrzehnts eine Zentralbibliothek entstehen.
Auch die einst noch von Bürgermeister Henning Voscherau angeschobene Idee der Hafencity nimmt konkrete Formen an. Das Areal, nur eine Viertelstunde zu Fuß vom Rathaus entfernt, liegt südlich der Speicherstadt auf ausgedienten Hafenflächen. Erste Teile waren schon unter Beusts Vorgänger Ortwin Runde vergeben worden. Nun aber hat der Senat einen internationalen Investorenwettbewerb ausgeschrieben für das „ÜberseeQuartier?“, das Herzstück des neuen Stadtteils. Hier soll eine maritime Alternativ-City zur Innenstadt entstehen – „nicht als Konkurrenz“, wie Bürgermeister Beust versichert. Es solle im Überseequartier kein „austauschbares Einkaufszentrum mit Schicki- Micki-Angebot“ entstehen, sondern etwas „Unverwechselbares“. Zwar kommerziell ausgerichtet, aber alles mit maritimen Bezug: Schiffsausrüster, Bootsvermieter, Fischdelikatessen-Läden, Reisebüros.
Zudem will die eigentlich klamme Stadt für eine Kultureinrichtung im neuen Quartier tief in die Tasche greifen. Von einer Musikhalle für 50 Millionen Euro ist die Rede, eingebettet in ein riesiges Aquarium. Allerdings sei man da offen: „Wenn eine andere Idee kommt, ist es nicht zu spät“, sagt von Beust. Das gilt wohl auch für ein Haus der Seeschifffahrt oder eine Unterwasserwelt, alles möglich, es soll nur „kein maritimes Disneyland“ werden. Doch nicht allein das architektonische Face-Lifting, auch der in Angriff genommene Umbau der Hochschul- und Schullandschaft sieht Beust als Teil des Aufbruchs-Konzepts.
Hafen-Geburtstage reichen nicht
Hamburg als das einstige deutsche „Tor zur Welt“ hat wohl auch gute Chancen, als eine von fünf deutschen Bewerberstädten (neben Frankfurt am Main, Leipzig, Düsseldorf und Stuttgart) ins Rennen für die Olympischen Spiele 2012 geschickt zu werden. Das hängt allerdings davon ab, ob sich im Nationalen Olympischen Komitee die Regionalisten oder die Internationalisten durchsetzen. Die Ersten geben einem deutschen Bewerber ohnehin keine Chance im internationalen Vergleich etwa mit New York. Sie wollen bei der nationalen Entscheidung danach gehen, wohin sie die knappen Zuschüsse am liebsten lenken wollen. Dann könnte Düsseldorf im Vorteil sein, weil ein Gutteil der NOK- Mitglieder aus Nordrhein-Westfalen kommt. Die Internationalisten dagegen argumentieren, dass nur Hamburg weltweit halbwegs bekannt sei.
Das Konzept der „Wachsenden Stadt“ geht zurück auf ein Positionspapier, das der heutige Finanzsenator und Bundesschatzmeister der CDU, Wolfgang Peiner, im Wahlkampfsommer 2001 für Ole von Beust aufschrieb. Darin ging er schonungslos mit der Selbstgefälligkeit ins Gericht, die Hamburg noch immer in der internationalen Elite der Städte sieht. Das sei längst nicht mehr der Fall: „Anfang des 20.Jahrhunderts war Hamburg Weltstadt“, schrieb Peiner. 4,5 Prozent, also fast ein Zwanzigstel des Welthandels, liefen über Hamburg. Nach London und New York war Hamburg drittgrößter Hafen der Welt, Sitz der größten Reederei. Heute müht sich Hamburg, unter den ersten zehn Container-Häfen zu bleiben. Es gebe Probleme mit der Infrastruktur. Der Flughafen sei zu klein, ein Autobahnring fehle, Hochschuleinrichtungen für Leistungsträger gebe es kaum, Banken und Firmenholdings hätten sich verabschiedet. Vor allem aber fehle es Hamburg international an Renommee: „Kirchentage, Hafengeburtstage und Alstervergnügen reichen da nicht aus.“
Peiner machte damals „phantasielose Stadtentwicklung und kurzfristiges Denken in den letzten 30 Jahren“ für die Misere verantwortlich. Mit einem Wort: Sozialdemokraten. Doch mit deren Herrschaft ist es ja vorbei. Die Union kann sich jetzt als Partei der Modernisierer profilieren – und Ole von Beust als oberster Reformer der Stadt.