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Parallele Geschichten - Ein Projekt von Tanja Nellemann, Sixten Therkildsen und Jacob Nielsen

Dieses Projekt wurde in Zusammenhang mit einem Ideenwettbewerb für das Gebiet wo Stadt und Hafen aufeinandertreffen entwickelt. Der Wettbewerb wurde vom Stadtrat in Aarhus, Dänemark ausgeschrieben, weil dieser dem städtischen Hafengebiet Vorrang geben wollte, damit das Stadtzentrum Richtung Meer expandieren kann. Viele Orte im Gebiet hatten früher eine industrielle Funktion, während dort in letzter Zeit mehr oder weniger spontan soziale Räume entstanden sind. Unser Projekt war eher als ein Kommentar zum Wettbewerb und zu Stadtplanung im Allgemeinen gedacht, als daß die Vorschläge konkret umgesetzt werden sollten. Das Projekt bestand aus sechs Veränderungsvorschlägen. Sie sind hier gemeinsam mit dem ursprünglichen Einleitungstext abgedruckt. Informationen unter mailto:partyskjorten@ofir.dk, mailto:tanjanellemann@email.dk,mailto:gerrigehund@hotmail.com


Parallele Geschichten - Vorschläge für planerische Veränderungen im Hafengebiet der Stadt Aarhus.

Dieser Beitrag zur geplanten Stadterneuerung nimmt eine Reihe von Geschichten, die in der Hafengegend gesammelt wurden zum Ausgangspunkt. Die Geschichten wurden von Leuten, die wir getroffen und gesprochen haben nacherzählt. Jeder von ihnen hat täglich im Hafen zu tun, ist Benutzer des Hafens oder war in der Lage sich an ein Ereignis, eine Anekdote oder ein persönliches Erlebnis zu erinnern, das eine Verbindung zu einem vom Erzähler ausgewählten Ort herstellte, an dem Stadt und Hafen aufeinandertreffen. Aus diesem Grund sind die Geschichten sehr ortsspezifisch und können als Ablagerungen von Zeit und Auswirkungen betrachtet werden, die bei ihrer Wiedererweckung Ort, Geschichte und Menschen verbinden. Diese Ablagerungen oder Reproduktionen entstehen auf Grund der Vorlieben dieser Menschen und dem wirklichen physischen Ort. Einige Geschichten können soziale Funktionen besitzen, indem sie ein Milieu und die Rolle der Individuen darin definieren.

Wenn man die Struktur der Orte abschafft oder verändert, verändert man auch die Bedingungen des Fortbestehens der Geschichten. Das gesammelte Material reicht von der Gegenwart bis in die Vergangenheit, in der der Hafen anders aussah als heute und auch in eine andere Verteilung von Rollen, Werten, Funktionen, Benutzern und ökonomischen Interessen verwickelt war. Unsere Veränderungsvorschläge für den Stadthafen drücken sich in kleinen Eingriffen aus und könnten als anonyme Monumente angesehen werden, die auf verschiedene Weisen in Verbindung mit den Geschichten stehen. Am spezifischen Ort beginnend, versuchen wir eine Verbindung zwischen dem erzählerischen Ort, der Zeit und dem konkreten Platz herzustellen und kommentieren die Geschichte um etwas anderes zu zeigen als das was offensichtlich ist. Wahrscheinlich sind die Eingriffe nur in Relation zur Ausgangssituation verständlich, da die Eingriffe die Oberfläche nur minimal verändern.

Dies ist eine Geschichte aus den Jahren 1969/70 über unseren Geschäftsmanager, so nannte man das früher. Er war immer sehr laut und ging rum und sagte: „Die Biere gehen auf mich“. Aber er dachte nicht immer daran, die Biere die er ausgab und selbst trank zu bezahlen. Es war hier drüben am Pier 1, wo wir den Schiffskran rüber holten und einen Container von einem Schiff auf einen Lastwagen verladen mußten. Einer mußte hoch auf den Container gehen und die Kette festmachen, damit wir ihn anheben konnten. Unser Manager suchte immer nach Aufmerksamkeit, also sagte er „Ich mach´ fest.“ Er stand also auf dem Haken, der an der Kette hing und dann wurde er mit dem Kran hochgehoben, damit er die Ketten aneinander hängen konnte. Der Kranfahrer war aber einer von denen der sich daran erinnerte, daß der ihm einige Biere schuldig war, also hob er unseren Manager statt dessen über das Wasser und ließ ihn bis auf die Wasseroberfläche herunter, wo er schrie: „ Jetzt ist es Zeit für ein paar Biere.“ - „Ja, natürlich können sie ein paar Biere haben.“ - War er sicher, daß er heute Geld dabei hatte? Yeaaah, so weit er wußte, hatte er welches. Er könnte ein paar Biere bestellen, während er hier draußen am Haken hing - er rief zum Ladenbesitzer bei Mindet rüber, daß er ein paar Biere klarmachen solle... Aber er war nicht schnell genug, also ließ ihn der Kranführer schön langsam ins Wasser, bis es ihm bis zu den Hüften stand - und dann kriegten sie ihr Bier!!!“

Der Abstand zwischen Pier 1 und dem Laden bei Mindet, und die Tatsache, daß der Honnoer Kai und der Fähranleger als feste Barriere zwischen den beiden Plätzen liegt, zeigt, daß es unwahrscheinlich ist, daß der Manager wirklich das tun konnte, was der Kranführer von ihm verlangte und Bier beim Ladenbesitzer bestellte. Mit unserer Veränderung möchten wir die Möglichkeit herstellen, daß das, was der Kranführers forderte, beim nächsten Erzählen der Geschichte als legitime Anfrage erscheint. Wir schlagen vor, eine zwei Meter breite Verbindungslinie zwischen dem Pier und dem Laden zu schaffen, die eine offene Kommunikation zwischen diesen beiden Punkten (A und B)ermöglicht.

Wir schlagen vor, direkt vor dem Fischladen in der Fischerstraße einen Parkplatz für Behinderte als freundliche Geste dem Ort und seinen Benutzern gegenüber einzurichten. Unter diesen Bedingungen wäre ein Besuch beim Fischladen angenehmer und man könnte zur Belohnung wahrscheinlich täglich Situationen wie die in der Geschichte beschriebene erleben. Der Parkplatz kann so eingerichtet werden, daß man den Fisch an Tagen mit viel Betrieb aus dem Fenster heraus verkaufen kann.

„Wir haben eine Rampe für normale und elektrische Rollstühle und einmal die Woche kommt eine behinderte Kundin mit ihrem Helfer um Fisch zu kaufen. Sie ist sehr lebendig und ziemlich lustig... Eines Tages war sie da und Martin wollte den Beutel mit dem Fisch, den sie gekauft hatte an ihren Rollstuhl hängen. Aber versehentlich hängte er den Beutel an den Steuerknüppel, den sie benutzt, um den Rollstuhl zu lenken. Ich weiß nicht, ob sie Dystrophie hat, jedenfalls ist sie nicht sehr stark, deshalb kontrollieren kleine Bewegungen den Rollstuhl. Er hängte also die Tasche an den Steuerknüppel und das Ding ging mit brennenden Reifen los und raste auf Martin zu , er wurde gegen den Ladentisch gefahren wo er einfach eingekeilt stand und die Reifen durchdrehten. Er hatte eine riesige Schramme und sie saß nur da und schrie: „Halt, halt, halt!!!“ Und dann diese komischen Bremsspuren auf dem Boden. Ich glaube sie fand es selbst auch komisch, denn als sie in der nächsten Woche wiederkam, steuerte sie auf die andere Seite des Ladentisches zu, kam ruhig zum Stehen und fragte: „Können Sie mir helfen?“

Indem wir auf der Hjortholm Straße einen Fußgängerstreifen installieren, beabsichtigen wir, eine sichtbare Ver-bindung zwischen den zwei Schlüsselorten dieser Geschichte herzustellen. Auf diese Weise wird ein fruchtbarer Boden für zukünftige Beziehungen über die Straße hinweg geschaffen. Wir möchten betonen, daß optimale Bedingungen für Fußgänger sehr wichtig sind, wenn Straßen überquert werden müssen und man in Gedanken versunken ist.

„Also, da war dieser Tag an dem ich im Ruder Club war, wo ich den ganzen rudern war. Ich mußte die Straße zum Laden gegenüber überqueren. Ich weiß nicht mehr genau, was ich brauchte - nur das eine oder andere zu essen. Als ich also drüben war guckte ich das Mädchen hinter der Kasse an, während der Typ vor mir bedient wurde. Ich stand da und dachte: „Sie sieht wirklich nett aus, ich wäre gerne mit ihr zusammen.“ Als ich dran war, fragte sie mich, ob ich mit dem Malern fertig sei. Ich war total verwundert und überrascht und fragte sie, woher sie das wisse. Sie fragte mich, ob ich nicht derjenige sei, der vor zwei Wochen schon hier gewesen war und Farbe an den Händen und im Gesicht hatte. Also sagte ich, daß ich meine Küche gestrichen hätte. Ohh...dann wußte ich nicht mehr, was ich sagen sollte. Sie lächelte nur.Dann bezahlte ich und ging zurück zum Club.“

„Guck mal, da ist dieses Loch im Zaun da drüben . Die DSB (die nationale Zuggesellschaft) kommt ungefähr alle eineinhalb Monate und flickt es wieder. Sie stellen einen neuen Zaun auf. Zwei Männer brauchen einen halben Tag dafür und sobald sie weg sind kommt jemand mit einem Bolzenschneider und macht den Zaun wieder auf. So ist es und es ist nicht einmal eine halbe Stunde her, daß sie da gestanden und rumgewerkelt haben. Aber es ist total... Man könnte genau so gut eine Klingel anbringen, die klingelt, sobald ein Zug kommt, so daß die Blinden auch rüber gehen können. Der Zug, da haben sie mehr oder weniger zugesichert, daß sie ihn staatlich unterstützen, damit er weiter fahren kann. Wie war das noch mal, sie schlagen auf jede beschissene Fahrkarte von Grenaa nach Aarhus 250 Kronen drauf...? Du zahlst 50 Kronen dafür, aber, ehhh, eigentlich kostet das 300 Kronen.“

Der Vorschlag für die Veränderung zwischen der Fischerstraße und dem Radweg in Richtung Risskov sollte als ein Lösungsvorschlag für ein sehr greifbares Problem angesehen werden. Indem man die Eisenbahnlinie auf einer kurzen Strecke - die von vielen als inoffizieller Übergang genutzt wird - unterirdisch laufen läßt, schafft man eine offizielle, sichere Verbindung. Gleichzeitig befreien wir die Leute von erheblichen Schwierigkeiten.

„Kurz gesagt fing die ganze Sache damit an, daß dieser Typ zu mir kam und fragte, ob ich ihm mit helfen könnte Geld zu sammeln, weil da jemand sei, der für 1000 Kronen in den Hafen springen würde. Es war so, daß ich an diesem Tag pleite war und deshalb sagte, daß ich das Gleiche für 500 Kronen tun würde. Wir kamen stimmten überein, daß das zwei Männer für 1000 Kronen bedeutete. Aber dann verlangten die anderen, daß wir uns ausziehen und aus 16 Meter Höhe von einem Schiff runterspringen und danach den ganzen Weg splitternackt auf meinem Mofa zur Kantine fahren. Da würden sie dann unsere Klamotten rausrücken. Als ich anfing mich ausziehen bekam ich noch mal Zweifel, aber dann haben wir es doch gemacht, weil sie sonst wahrscheinlich meine Klamotten ins Wasser geworfen hätten. Später rief unser Gruppenvorsteher an und fragte, was da zum Teufel los sei. Was ihn am Meisten beunruhigte, war, daß zwei Männer während der Arbeit mit nackten Ärschen auf einem Mofa fuhren.“

Die Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, daß die Strecke zwischen DLG und der Hafenarbeiterkantine vor allem von Schwertransportern benutzt wird. Man sollte bei der Untersuchung der Verkehrsstrukturen des Gebietes diese Strecke unter einem anderen Vorzeichen untersuchen. Ein Mofaweg wird die Fortbewegungsmöglichkeiten für eine schwache Gruppe von Verkehrsbenutzern verbessern. Wir schlagen deshalb vor, daß ein Mofaweg - wie im Bild eingezeichnet-, auf der gesamten Strecke vom DLG in der Vilna Straße bis zur Hafenarbeiterkantine auf der Ost- Hafenstraße eingerichtet wird.

„Ich bin raus gesegelt, um am Ende der Mole 1 Holz zu lagern. Dort war ein Bootsbesitzer, der erzählte, daß auf dem Deck eines Bootes, das ein bißchen weiter draußen liegt, ein Mann sei, der dort nachts geschlafen habe, hmmm. Plötzlich tauchte der Mann, über den wir geredet hatten auf und kam auf uns zu. Er stand da in seinem Regenmantel und der weit über den Kopf gezogen Kapuze und sah ein bißchen dreckig aus. Er fragte uns: „Wie ist das mit dem Boot da, kann ich das benutzen?“ Dann stand er da einfach und hat Unsinn geredet und schien ein bißchen verwirrt zu sein. Jedenfalls bin ich zum Hafenmeister gegangen um ihn zu holen und der kam rüber und hat den Mann gefragt, ob das sein Boot sei oder ob er den Besitzer kenne. „Ja, er schläft im Moment“ und er klopfte an die Luke, aber es öffnete keiner. Der Hafenmeister sagte ihm, er solle an Land kommen, weil er den Bootsbesitzer nicht kenne. Aber er kam nicht. „Gut, dann werde ich die verdammte Polizei rufen.“, sagte der Hafenmeister und rief die Polizei. Der Mann konnte sehen, daß er telefonierte... Also schlich er sich an Land. Es kam heraus, daß er versucht hatte, das Boot zu stehlen. Plötzlich hörten wir eine riesige Erschütterung. Der Mann kam von der Mole herunter gerannt, wo wir mit einem Polizisten genau hinter ihm standen. Sie rannten sehr schnell und am Ufer lief ein Schäferhund mit heraushängender Zunge rum und sah aus als würde er „Spielen wir jetzt?“ fragen. Der Polizist holte den Mann ein und hielt ihn fest. Dann kam der Hund und - wham- hatte er eine Rasierklinge zwischen den Eiern. Er biß ihn genau in die Eier. Na ja, er wurde zur Polizeistation mitgenommen, aber ich vergesse nie wie dieser Polizist angerannt kam, seine Mütze verlor und schrie: „Faß ihn, Ralph!!!“

Indem wir die Hütten verschieben und ihnen eine andere Funktion geben, als die die sie momentan haben - sie werden benutzt, um Bootszubehör zu lagern - schaffen wir eine Grundlage auf der ein ähnlicher Vorfall anders verlaufen könnte. Wir stellen uns vor, daß die Hütten für jeden, der einen Schlafplatz braucht aufgestellt werden. Die Hütten müßten 200 Meter von ihrem derzeitigen Platz in die Richtung verschoben wo sich die Geschichte zugetragen hat. Zusätzlich erreicht man dadurch eine viel ruhigere und friedlichere Plazierung, die dem Ausruhen besser dient.


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Edited August 20, 2002 18:16 (diff)
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