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Olympia - der große Wurf?
Großveranstaltungen bergen Risiken und Nebenwirkungen - vor allem für Sozialschwache

Hamburg bewirbt sich um die Olympischen Sommerspiele 2012. Befürworter hoffen vor allem auf wirtschaftliche Impulse für die Region. Doch die Erfahrung zeigt: Nicht alle profitieren vom Groß-Event.

Artikel aus der Hamburger Wohnungslosenzeitung (Ausgabe August 2002) [Hinz und Kunz(t)].

Die Bulldozer kamen völlig überraschend: Eine ganze Roma-Siedlung machten Bagger im Juli 2000 in einer Athener Vorstadt dem Erdboden gleich, gut 3000 Menschen verloren ihr Zuhause. Mit der als "Säuberung" deklarierten Aktion wollten die örtlichen Behörden Platz für Sportstätten schaffen, berichtet das European Roma Rights Center (ERRC) und spricht von "dunklen Schatten", die die Olympischen Sommerspiele 2004 vorauswerfen würden.

Dass Großveranstaltungen wie Olympia für Sozialschwache und Randgruppen vor allem Vertreibung bedeuten, hat sich schon 1968 in Mexiko gezeigt. Erstmals richtete ein so genanntes Dritte-Welt-Land die Spiele aus. Um die sozialen Probleme zu verbergen, wurden Armenviertel planiert, die Bewohner ausquartiert. Wo Abriss unmöglich war, entschied sich die Regierung für eine "Vogel-Strauß-Politik": Um die größten Elendsquartiere der Stadt und die Slums ließ sie hohe, bunt bemalte Bretterzäune errichten. Gegen die gigantischen Kosten der Spiele und die miserablen Lebensbedingungen großer Teile der Bevölkerung regte sich Widerstand. Doch Demonstrationen wurden durch das Militär blutig beendet.

Auch reiche Nationen lassen sich nicht lumpen: In den USA ließen die Organisatoren im Vorfeld der Spiele in Atlanta 1996 mehr als 10.000 Obdachlose wegkarren oder inhaftieren, zur "Säuberung der Stadt". Die Suppenküchen wurden während des Events einfach dichtgemacht, in der gesamten Downtown herrschte ein Aufenthaltsverbot für Obdachlose, das "von der Polizei strikt durchgesetzt wurde", so ein Sprecher der US-Menschenrechtsorganisation "Food Not Bombs". Wie die "Rhein-Zeitung" damals berichtete, bekamen Polizisten während der Spiele per Verordnung das Recht zugesprochen, Menschen auch ohne dringenden Tatverdacht zu verhaften, um die "Auslagerung" von Obdachlosen rechtlich zu ermöglichen.

Auch das australische Sydney versuchte vor Beginn der Olympischen Spiele 2000 die Armut von den Straßen zu kehren. "Es gibt keine Frage, dass da eine Säuberung der Stadt abläuft. Es gab Belästigungen, Rauswürfe und auch Gewalt von Polizisten", klagte ein Sprecher der Hilfsorganisation Redfern Legal Centre eine Woche vor dem Start der Wettkämpfe. "Irgendjemand ganz oben sagt, dass der Mob während der Spiele nicht in den Straßen und Zügen rumlungern soll."

Doch nicht nur die, die schon alles verloren haben, leiden unter Groß-Events, wie das Beispiel Salt Lake City zeigt: Dort stieg die Zahl der Obdachlosen während der Olympischen Winterspiele im vergangenen Jahr von 2000 auf mehr als 3000 Menschen. Verantwortlich dafür waren vor allem die Wucher-Mieten, mit denen Hausbesitzer versuchten, Profit zu machen. Olympia-Touristen zahlten ohne Schwierigkeiten mehr als 1000 Dollar (rund 1000 Euro) die Woche für ein Appartement - für manch Einheimischen war das zu viel. Den Vogel schoss das eigentlich als Unterkunft für weniger Bemittelte bekannte "Utah Hostel" ab, das den Übernachtungspreis während der Spiele von 12 auf stolze 200 Dollar erhöhte.

Die Geschichte von Salt Lake City macht aber auch Hoffnung: Statt nach dem Vorbild Atlantas die Armen aus der Stadt zu karren, richteten die Behörden zusätzliche Obdachlosen-Asyle ein und engagierten Dutzende Freiwillige zur Unterstützung der Menschen. Doch auch hier hatte die Freiheit Grenzen: Als 400 Arme und Obdachlose die glitzernde Eröffnungsfeier mit einem "March for our Lifes" begleiten und so auf ihre missliche Lage aufmerksam machen wollten, wurden sie in die abseits gelegene "demonstration zone" verwiesen - im Fernsehen sah man sie folglich nicht.

Info: Olympiastadt 2012? "Wir verfahren nicht nach dem Motto: Weil wir die Olympiade bekommen, brauchen wir eine saubere Stadt", sagt Bürgermeister Ole von Beust mit Blick auf die Hamburger Bewerbung für die Sommerspiele 2012. "Die Stadt muss so sein, wie sie ist. Wir werden keinen Popanz aufbauen", so der Senatspräsident. Neben Hamburg haben sich Leipzig, Stuttgart, Düsseldorf und Frankfurt/ Main um die Austragung der Spiele beworben. Welche deutsche Stadt international ins Rennen geht, entscheidet das Nationale Olympische Komitee (NOK) im April 2003. Die internationale Entscheidung fällt das International Olympic Committee (IOC) im Januar 2005.

Ulrich Jonas

Mehr offizielle Infos siehe [Nationales Olympisches Komitee für Deutschland]


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