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erschienen in: tetrapak (Hg.) ready2capture! HafenCity - ein urbaner Raum? [b_books Berlin] 2003 (siehe PublikationReadyToCapture)

Text für A&K 07.05.02 (8.392 Zeichen) | Remix for TextProduktion: 19.11.02 (10.900 Zeichen) Ulf Treger (UlfT) mailto:code@brainlift.de

Feuer und Flamme

Kurze Betrachtung der Entwicklung eines großformatigen Hamburger Stadtentwicklungsprojekts

Seitdem Städte ihre Flüsse als geldwerten Standortfaktor entdeckt haben, gilt es, die aus industrieller Zeit stammende funktionale Trennung zwischen Stadt und Fluß aufzuheben. In Hamburg soll diese Zurückführung mit einer großen Geste auf eine neue Entwicklungsstufe gehoben werden.

Symbolisiert wird diese Zusammenführung bereits durch die sogenannte "HamburgerPerlenkette" in Form repräsentativer Bauprojekte entlang des nördlichen Elbufers. Vom flußaufwärts gelegenen AltonaerHolzhafen zieht sich dieses stadtplanerische Konstrukt in Richtung Innenstadt über St. Paulis Hafenrand und Landungsbrücken bis zum kürzlich fertiggestellten Hanseatic Trade Center. An dieses angrenzend und in zentraler Lage soll mit dem Projekt HafenCity nicht nur die Perlenkette komplettiert, sondern auch das innerstädtische Terrain in seiner Fläche verdoppelt und bis an das Flußufer der Elbe erweitert werden. Die Planungen hierzu entbehren nicht einer gewissen Faszination, soll doch ein ganzer Stadtteil aus dem “Nichts” einer ehemals industriell genutzten Brachfläche riesigen Ausmaßes neu entstehen. Sie zeigen auch die Dimensionen, mit der hier die wirtschaftliche Verwertung städtischer Räume angegangen wird. Im Konkurrenzkampf der Städte wird auch in Hamburg der Attraktivitätssteigerung – als touristisches Reiseziel und Wirtschaftsstandort – Vorrang vor anderen Maßnahmen städtischer Politik eingeräumt, die vielleicht früher einmal auch die Lebensbedingungen aller Bewohner im Blickfeld hatte.

Angesichts der zeitlichen und geographischen Dimensionen des Projekts wird gerne von einem Jahrhundertprojekt – in seinen Ausmaßen einmalig in Europa – gesprochen. Ein Vergleich zu den DockLands, einem ähnlich dimensionierten Projekt im London der Thatcher-Ära der 80er Jahre, drängt sich auf: Damals wurde brachliegendes Hafengelände im großen Maßstab zu einer Mischnutzung aus Dienstleistungsgewerbe und hochwertigem Wohnen transformiert. Das Projekt krankte an mangelndem Interesse, eine für damalige Verhältnisse hypermoderne architektonische Landschaft, aufgelockert durch konservierte Hafenbecken und englische Kurzrasenflächen blieb lange Jahre menschenleer.

Doch es gibt Unterschiede: In den Docklands wurde die gesamte Fläche in einem großen Schwung im staatlichen Auftrag bebaut und dann nach finanzkräftigen Nutzern Ausschau gehalten, in Hamburgs Hafencity werden Flächen von der Stadt zur freien Verfügung gestellt und in ihrer Ausformung lose durch einen “Masterplan” umrissen. Drum herum will die Stadt Infrastruktur wie Straßen und Hochwasserschutz aufbauen. Ansonsten sieht der städtische Anteil den Bau von Kindergärten und Schulen vor, weitere kulturelle oder gar soziale Vorhaben für die Allgemeinheit sind nicht vorgesehen. Diese Bereiche werden vielmehr der kommerzialisierten Bedarfsdeckung durch die Wirtschaft überlassen. Auch ansonsten sind Konzeption und Vorgaben weitestgehend flexibel gehalten und offen für individuelle Adaptionen künftiger Bauherren, die hier ihre Visionen von exklusivem Wohn- und Arbeitsräumen realisieren können sollen. Diese Ergebnisoffenheit wird als Garantie genannt, daß sich der planerische Flop der Docklands hier nicht wiederholen kann. Der Unterschied ist aber das etwas geringere finanzielle Risiko, die städtische Investitionen zu verjubeln und weniger die vermeintlich gebannte Gefahr eines Scheiterns. Diese Offenheit heißt aber auch, daß alle Visualisierungen – die Modelle und Masterpläne – nur eine mögliche, idealisierte Zukunft darstellen und die Hafencity als schlüssige städtische Einheit vermarkten sollen. Dabei hat sich längst in der Bevölkerung herumgesprochen, daß sie in ihrer Mehrheit nicht Zielgruppe, geschweige denn Planungsbeteiligte sind, sondern Zuschauer, die durch die Präsentationsräume der Verwertungsgesellschaft geführt werden und die einmal im Jahr in Form eines [Hafencity-Volksfestes] am Jahrhundertprojekt teilhaben dürfen.

Der Plan für die Erschließung der innenstadtnahen Fläche wurde Mitte der 90er von dem damaligen Bürgermeister Henning Voscherau unter klandestinen Bedingungen entwickelt. Als das Projekt 1997 – taktisch geschickt kurz vor der nächsten Bürgerschaftswahl – von Voscherau in einer Rede vor der Hamburger Handelskammer öffentlich gemacht wurde, waren entscheidende Weichen bereits gestellt und große Teile der künftigen Hafencity-Fläche heimlich in städtischen Besitz gebracht. Hinter einer ideellen Aufladung des “historischen Bauplatzes des 21. Jahrhunderts” und Überwindung einer hundertjährigen “künstlichen Trennung zwischen Stadt und Hafen”, welche “an den Fall der Mauer” erinnere, stand die profane Idee, mit der Entwicklung der Hafencity die eigene Staatskasse zu füllen und sich ansonsten aus der Umsetzung heraus zuhalten. Durch die Vermarktung der Idee "Hafencity" sollten die aufgekauften Flächen gewinnbringend an Investoren aus der Wirtschaft verkauft werden, diese würden den neuen “Stadtteil” Wirklichkeit werden lassen, während Hamburgs Senat mit dem Geldregen weiter flußaufwärts bei Altenwerder ein modernes Containerterminal aufbauen könnte. (s. DergeheimePlandesHenningVoscherau)

Diese Koppelung wird von der seit 2001 regierenden Schwarz-Schill-Koalition in Frage gestellt; die neue Regierung scheint einen etwas kritischeren Blick auf die ökonomische Situation und damit auf den Bedarf an Investionsflächen zu haben. Eine Entkoppelung Hafencity – Containerhafen war daher nur folgerichtig, wenn die erhoffte Gewinnoption eines ausreichenden Realismus entbehrt. Das Projekt Hafencity selber scheint aber angesichts der städtischen Orientierung nach wirtschaftlicher Aufwertung alternativlos, ein Rückzug oder die fundamentale Umorientierung des Nutzungskonzepts wäre allein aufgrund der vorherrschenden Ideologie der Standortpolitik nicht denkbar.

In den bürgerliche Medien sind neben diversen Werbetexten immer auch starke pessimistische Stimmen zu vernehmen. So wird im Hamburger Lokalteil der Tageszeitung "Die Welt" die zögerliche Entwicklung beklagt und angesichts des weiterhin pausierenden Wirtschaftsaufschwungs der Bedarf für das mit der Hafencity entwickelte Flächenangebot in Frage gestellt. Eine McKinsey?-Studie konstatiert einen Mangel an städtischen Durchsetzungswillen und das Lager der Investoren beschwert sich über fehlende “attraktive Voraussetzungen” für ihr Engagement.

Wie schwach das Konzept ist, zeigt sich am erklärten “Flaggschiff” und “architektonischen Aushängeschild” der Hafencity, dem geplanten MediaCityPort. Der großformatige, leerstehende KaispeicherA an prominenter Stelle soll durch eine knapp 100 m hohe Glasformation ersetzt werden, in der sich Medienfirmen einnisten sollen. Nutzer und Investoren der ersten Stunde sind während des Sturzfluges des Neuen Markts verloren gegangen, konkrete Nachfolger sind bis heute nicht in Sicht. Die Firmen Euroland und LIP, die den MediaCityPort vermarkten, hangeln sich derzeit von einer weiteren Fristverlängerung der “Anhandgabe” durch die Stadt zu einer erneuten Verschiebung der Umbaumaßnahmen.

Durch die Bewerbung Hamburgs als Austragungsort für die OlympischenSpiele? 2012 soll daher auch ein dringend benötigter visionärer Schwung in die Entwicklung der Hafencity gebracht werden: Teile der Hafencity sind in die Planungen eingebunden, am Baakenhafen kurz vor den Elbbrücken würde das Olympische Dorf entstehen, auf dem gegenüberliegenden Elbufer könnte das Olympiastadion und weitere Sportstätten für eine Anbindung der weitgehend vernachlässigten Südhälfte Hamburgs sorgen. Dem “ModellBarcelona” folgend, soll Olympia für Hamburg ein mehrfaches Schnäppchen darstellen: Zwar würden die Vorbereitungen beträchtliche städtische Investitionen verschlingen, verspräche aber nach Rechnung des Hamburger Senats nicht nur einen beträchtlichen Image-Gewinn und einen "Investionsschub der Privatwirtschaft", sondern auch eine widerstandslose Beschleunigung aller stadtplanerischen Ziele. Als Nebeneffekt wäre ein nicht unbedeutender Teil der Hafencity für 2012 einer Nutzung zugeführt und müßte bis dahin nicht weiter auf das Engagement einer lustlosen und schwächelnden Wirtschaft warten. (s. NoOlympia)

Die mit diesen Plänen verbundene Umschreibung des Hafencity-MasterPlan''s – die Erschließung des entsprechenden Areals müßte geändert und um mehrere Jahre nach vorne verlegt werden – zeigt, wie dehnbar sich die konzeptionelle Klammer der Hafencity in der Umsetzung darstellt. Diese Dehnbarkeit führte übrigens vergangenen Sommer zu der bizarren Situation, daß im Hafencity-Informationscenter ein Gesamtmodell ganz ohne olympische Applikationen auskam, aber noch mit einem Ensemble aus Hochhäusern an gleicher Stelle, während gleichzeitig in der Innenstadt im HEW-Kundencenter bereits ein modifiziertes Modell mit Fokus auf Olympiastadion und olympisches Dorf eine andere Zukunftswahrscheinlichkeit suggerierte.

Seitdem die Olympiabewerbung den vorhandenen Pessimismus etwas überdeckt, werden in loser Folge aus verschiedenen Ecken mehr oder weniger phantastische Böllerschüsse abgegeben, die wohl die ersehnte Investionslawine auslösen und die Hafencity zum ökonomischen Durchbruch verhelfen sollen: Neben zweier Wolkenkratzerprojekten in und am Rande des Geländes durch Hamburgische Investoren wurde von der Kultursenatorin kürzlich ihre originelle Idee eines Musik-Aquariums für klassische Konzerte, mit Haifischbecken nebst angeschlossenem Beatles-Gedächtnisraum ins Spiel gebracht.

Ob aber die Hansestadt überhaupt olympische Eigenschaften entwickeln darf, entscheidet sich erst in drei Jahren, eine Erfolgsgarantie dafür gibt es keine. Bis dahin soll nicht nur die Bewerbungskampagne mit dem leicht mehrdeutigen Slogan “Feuer und Flamme für Hamburg” am Lodern gehalten werden, sondern der kleinteilige Aufbau der Hafencity schon aus der reinen Vorfreude an Olympia eine Beschleunigung erfahren. Sollte der olympische Traum dann doch zerplatzen, muß eben ein anderes, imaginäres Großprojekt gefunden werden, um die Entwicklung weiter auszurichten und anzufeuern. Zur Not bewirbt sich Hamburg dann, so heißt es, eben für die darauffolgenden olympischen Spiele 2016 und könnte dann erneut über ein Vehikel für eine Politik der wirtschaftlichen Verwertung verfügen. Bis dahin ist es ungewiß, ob die innerstädtische Brachfläche nicht weiterhin eine solche bleibt oder sich wirklich zu einem exklusiven Stadtteil für Wenige entwickelt.

(Dieser Text ist eine überarbeitete und aktualisierte Fassung des Artikels “SchöneneueModellwelt?”, erschienen in Analyse & Kritik, Nr. 462 vom 17.05.2002)

PS: Zum aktuellen Entwicklungsstand wäre noch zu erwähnen, daß ein SAP- Schulungscenter als das erste Bauprojekt in der HafenCity kürzlich (Dezember 2003) fertiggestellt wurde. Der Baubeginn für dieses Vorzeigeprojekt lag zeitlich in interessanter Nähe zur städtischen Entscheidung, die Verwaltungssoftware aller Landeseinrichtungen – die erst kurz zuvor modernisiert wurde – komplett auf Anwendungen der Firma SAP umzustellen.



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