artikel für dresden postplatz reader 3, vorlage
( von CityCrimeControl, ein remix von /ImageAlsStandortvorteil )
bildmaterial zum artikel: /ImageAlsStandortvorteilBilder
städte sind zunehmend darauf fixiert, den eigenen standort im globalen wettbewerb konkurrenzfähig zu halten bzw. zu machen. erfolgsparameter sind die bettenbelegung der einheimischen hotelerie, die besucherInnenzahlen von museen, theatern, konzerten und großereignissen (letztere werden oftmals erst geschaffen, um die zahlen zu potenzieren) und die summe von investitionen. nicht zuletzt sind es aber auch die bilder, die eine stadt von sich produziert, um ihren erfolg zu transportieren und zu verkaufen.
in unserem workshop-beitrag zu "image als standortvorteil" ende mai haben wir hintergründe und auswirkungen städtischer imagepolitik anhand von beispielen aus bremen vorgestellt. in diesem text konzentrieren wir uns auf den spacepark, "deutschlands erstes integriertes shopping- und entertainment-center" (werbetext) - immer noch ein dankbares beispiel, um die fassade hinter den bildern zu illustrieren.
die bremer politik steht bereits seit zehn jahren im zeichen der sanierung. Das ziel ist ein verfassungskonformer haushalt (konsumtive ausgaben müssen geringer sein als die einnahmen) bis möglichst bald (ursprünglich bis 2005, aber damit rechnet kaum jemand mehr). die parole, unter der die derzeit regierende "große koalition" vorgeht, lautet: investieren und sparen. sogenannte "investive mittel" werden dabei von konsumtiven mitteln getrennt. erstere stehen nur unter dem vorbehalt, daß sie auch wirklich investiert werden, zur verfügung. letztere, die eigentlichen haushaltsmittel, sollen weit möglichst reduziert werden.
in der neuen wahlperiode seit juni des jahres hat die koalition den sanierungskurs noch weiter verschärft: es werden nicht mehr enfach ausgaben gekürzt, sondern einzelne posten ganz gestrichen, was etwa das aus für wichtige institutionen wie das frauengesundheitszentrum und die aids-hilfe bedeutet. sogar die investitionen sollen nach der nun abzusehenden space-park-pleite etwas vorsichtiger gehandhabt werden.
um überregionale investoren zu interessieren, aber auch um sich in der globalen städtekonkurrenz bemerkbar zu machen (also selber zum "global player" zu werden), konzentrieren sich die städte auf großprojekte, eine entwicklung, die unter dem begriff "festivalisierung der stadtpolitik" (häussermann/siebel) beschrieben wurde. durch die unteroprdnung städtischer belange unter das sanierungsziel hat die festivalisierung direkten einfluß auf die stadtpolitik. auch die verwaltung wird, wegen effizienz und mangels geld, immer mehr einem unternehmen angepaßt. der begriff "sanierung" hat ja bereits etwas von unternehmensführung.
ein großprojekt kann in einer stadt über die teils gegenläufigen interessen der bewohnerinnen hinweg künstliche identität und gemeinsinn inszenieren/produzieren. (stichwort "eigendoping") das "thema" des projektes muß nichts mit der stadt zu tun haben, im gegenteil: je weniger, desto besser, denn umso weniger interessen werden so konkret ausgeschlossen.
die betreuung von großprojekten wird üblicherweise firmen überlassen, die vermeintlich unabhängiger und effizienter, vor allem aber undurchsichtiger handeln können. ein beispiel wäre die space park development gmbh, die unter den space park betreibt. die stadt bremen wurde bei diesem projekt als gleichrangiger "partner" präsentiert (public-private-partnership). jedoch ist die partnerschaft zwangsläufig ungleich: zum einen kann bremen keinem investor finanziell das wasser reichen (darum geht es ja bei der sanierung). zum anderen sind unternehmen immer in der besseren verhandlungsposition, denn sie können sich jederzeit aus einem projekt (und der stadt) zurückziehen. eine stadt kann das nicht. die rhetorik kreiste fast ausschließlich darum, wer wieviel investiert hatte. nie öffentlich diskutiert wurden die tatsächlichen verantwortlichkeiten, die eingegangenen verbindlichkeiten, wer z. b. beim scheitern des projektes mit bürgschaften einspringen muss.wechselnde investorenwünsche sind auch ein grund, weshalb das space-park-konzept sich von einer halbwegs kongruenten themenparkidee zu einem kaum noch vermittelbaren (und vermietbaren) investitionsmonstrum aus park und shopping mall entwickelt hat.
nicht nur finanzpolitisch, auch geographisch ist der space park ein kind der bremer wirtschaftslage: er wurde auf dem ehemaligen gelände der ag weser errichtet, einer großwerft, die in den 70er jahren ihre beste zeit hatte und 1983 abgewickelt wurde. seither lag das gelände weitgehend brach. die idee der freizeit- und unterhaltungsanlage »raumfahrtpark bermen« stammt ursprünglich von einem mit-arbeiter der ortsansässigen daimler-chrysler-aerospace. schon ab 1993 entwickelt die idee eine unglaubliche durchschlagskraft. ungewönlich schnell wurde das projekt 1995 unter der sogenannten Ampel-Koalition durchgewunken. das 23 ha große gelände (von der hansestadt für 82 mio. dm dekontaminiert) wurd für dm 1,- an die space-park-projektgesellschaft verkauft. im weiteren verlauf verstrickte bremen sich finanziell mehr und mehr in das abenteuer raumfahrt.
die bauzeit auf der "größten baustelle des nordens" - diese zuschreibung bereits teil der werbekampagne - wurde begleitet von einer ausstellung, um die besucherInnen auf die groß- und einzigartigkeit des zukünftigen space park einzustimmen.
untergebracht im "lichthaus", dem ehemaligem betriebsrats- und einzigem verbliebenen gebäude der großwerft ag weser, auf deren areal jetzt die bauhülle des urban entertainment center steht, verband die ausstellung ungewollt vergangenheit und zukunft des grundstückes. aber konsequent wird auf das thema zukunft gesetzt: die space-blauen ausstellungstafeln beschränken sich auf reduzierte informationen. neben ein paar wenigen zahlen, die die größe des projektes dokumentieren sollen, verkünden sie in der hauptsache stargate-like "das tor zu einer neuen erlebniswelt" und "shopping in einer neuen dimension" oder etwas allgemeiner, aber um so pathetischer "die zukunft ist hier". der griff in die sci-fi-kiste fördert den eindruck des fantastischen oder - um in den termini der werbetexter zu bleiben - des galaktischen, was künftige besucherInnen erwartet und unterstreicht die zukunftsweisende bedeutung des projektes.
großzügig und detailliert gearbeitete und mit licht in szene gesetzte modelle erlauben einen weiteren blick in die zukunft: eingerichtete ladenflächen mit beleuchteten ladenschildern sowie unzählige, durch die shoppingmall flanierende miniatur-menschen suggerieren ein belebtes, gut frequentiertes erlebnis- und einkaufszentrum und nehmen die erfolgsgeschichte so in den modellen bereits vorweg. das besondere bonbon der ausstellung ist ein vierzehnminütiger werbeclip. der eigens zur präsentation des videos eingerichtete kinosaal verspricht unterhaltung; rot gepolsterte kinosessel und aufsteigende sitzreihen sorgen für das richtige kinoambiente.
theatralisch eingestimmt wird zu beginn mit richard strauß' "also sprach zarathustra, op.30", bekannt aus kubricks "2001 - odyssee im weltraum". zur musik gleitet das space center, der themen- und entertainment-bereich und somit herzstück des space park, raumschiff-gleich durch das all, nähert sich der erde und fügt sich passgenau ins hellerleuchtete space-park-areal.
der einsatz von musik bleibt so bestimmend wie pathetisch und soll die gewünschten emotionen erzeugen. visionäre, wenn auch hausbackene animationen verheißen die zu erwartenden erlebnisse im entertainment-bereich, die sich trotz wohlklingender namen wie "moonbase one" als die zu genüge bekannten versatzstücke der event-industrie darstellen: multiplexkino, achterbahn und unterhaltungselektronik.
vervollständigt wird das bild vom zukunftsprojekt space park durch glücklich konsumierende menschen, strahlende verkäuferInnen und staunende kinder. neben dem wirtschaftlichen erfolg und der demonstrierten kaufkraft sollen diese bilder auch familienfreundlichkeit und ?kompatibilität vermitteln: für unterhaltung (und konsum) für die ganze familie wird hier ausreichend gesorgt sein.
auffällig ist der einsatz von bildern von strahlenden und staunenden kindern, die wohl assoziative, positive emotionen anrühren sollen. kinder als zukünftige generation bedienen, dieser gedankenkette folgend, ein positives, zukunftsgewandtes bild. selbst als es vom space park noch nicht mehr als aufgeschüttete sandhaufen zu sehen gab, schwebten bereits kinder in astronautenanzügen auf dem bauzaun. freude, spaß und staunen, ausgedrückt von kindergesichtern weckt ein bedürfnis nach unterhaltung oder besser: entspannung durch unterhaltung. der wunsch, zumindest für eine kurze zeit sorgenlos zu sein und abzuschalten (um dieses bedürfnis zu stillen, wird dann auch gerne gezahlt). kinder stehen auch als ein bild für unschuld: falls nach der ganzen euphemistischen bilderflut noch kritik am space park aufkommen sollte - so böse kann das projekt gar nicht sein
das vorgeführte familienfreundliche bild wird hergestellt durch bilder aus ähnlich funktionierenden shopping- und entertainment-centern aus übersee und vom centrO oberhausen. durch die übernahme des bildmaterials aus anderen zentren überführt sich die propagierte einzigartigkeit als austauschbar und damit beliebig. die am ende des films dargestellte weitläufigkeit des einzugsgebietes, aufgezeigt durch die überregionale anbindung mit autobahn, bahn und flugverkehr, kontrastiert sich mit der regionalen anbindung mit der straßenbahn, die touristisch idyllisch-provinziell am rathaus vorbeischleicht. was sich fast großkotzig ausnimmt, gerät zur farce angesichts der erkenntnis, das die unterhaltungsindustrie mit den immergleichen modulen agiert und sich shopping und entertainment sozusagen "globalisiert" haben.
am ausgang können sich ausstellungsbesucherInnen die motive und parolen der schautafeln im postkarten- und flyer-format mit nach hause nehmen. praktischerweise gibt es dazu auch noch eine papiertüte mit dem space park-emblem - ebenjene tüte, mit der kurz zuvor im film glückliche besucherInnen den space park verlassen haben
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von anfang an wurde das projekt begleitet von einer so gewaltigen imagekampagne von solcher massivität, dass einwände gegen das projekt keinerlei gehör fanden. die dynamik der imageprodunktion erübrigte schließlich jede weitere auseinandersetzung mit der frage: wie könnte die vorhandene brachfläche im hafengebiet städtebaulich sinnvoll entwickelt werden? die faktische informationssperre der space park development immunisierte das projekt erst recht gegen kritik. mittlerweile sind erste kritische töne zu hören, nicht nur aus dem linksliberalen lager, sondern auch in der bürgerlichen presse. sogar die politik meint schlauer geworden zu sein - jedoch richtet sich die kritik zumeist nicht gegen die undurchsichtigkeit der space-park-entwicklung oder gegen die einseitige ausrichtung der sanierungspolitik, sondern vor allem darauf, daß der space park ein (jetzt) abzusehender flop ist.
aktueller stand: die bauruine steht leer, es ist unklar, wann der space park eröffnet. eigentlich ist sogar unklar, was überhaupt draus wird. denn: die shopping-mall, das wirtschaftliche fundament für den entertainment part, wird es wahrscheinlich nicht geben (kein interesse bei den unternehmen). damit steht das gesamte projekt in frage. um den raum doch noch zu füllen, wird verzweifelt nach konzepten gesucht, wie etwa einen autohandel dort aufzuziehen. diese desolate situation ist eine logische konsequenz der allzu starken ausrichtung auf ein großprojekt als wirtschaftliches allheilmittel. die stadt hat sich dem projekt ausgeliefert, aus der vorstellung heraus, in der städtekonkurrenz nicht anders bestehen zu können. jetzt sieht es so aus, als bliebe sie drauf sitzen.
city.crime.control (c3) ist eine projektgruppe, die sich 1998 in bremen zusammengefunden hat. zunächst nur für die durchführung einer veranstaltungswoche gedacht (1999, die kontrolle der räume - subculture vs. boredom city), blieb c3 in wechselnder konstellation als gruppe aktiv und hat sich seitdem regelmäßig an verschiedenen projekten beteiligt, projekte initiiert und texte publiziert. themen, mit denen sich c3 beschäftigt sind: stadt(entwicklung), öffentlicher raum, kontroll- und sicherheitspolitik, kritisiert aus der perspektive selbstorganisierter und subkultureller zusammenhänge.