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MedienStadtHafen
Von Jelka Plate // tetrapak

MediaCityPort Frühjahr 2003. Irgendwer hat LIEBE auf den Kaispeicher gesprayt, aber der steht verlassen da. Nix los im zukünftigen MediaCityPort. Die Broschüre „HafenCity - die aktuellen Projekte“ kündigt hier „eine Medienstadt unter einem Dach“ an. „Auf einer Fläche von rund 55.000 qm brutto werden Unternehmen aus der Medien- und Kommunikationsbranche, eine Medienakademie, Ausstellungs- und Veranstaltungsräume, sowie Lofts einziehen. Der MediaCityPort soll Hamburgs Bedeutung als Deutschlands digitale Hauptstadt nachhaltig stärken und ausbauen. Frühjahr 2003 soll mit dem Bau begonnen werden.“ Im Eingang des HafenCity Infocenters kann man sich mit einer interaktiven Webcam den Kaispeicher und andere für die HafenCity als markant erachteten Orte heranzoomen.

Ein Baubeginn ist auch bei nächster Betrachtung nicht zu erkennen. Dafür sprechen an der Wissensstation >Arbeit- Leben - Freizeit< Menschen aus der nahen Zukunft zu uns. Wir befinden uns im Jahre 2012 und der virtuelle Rick Jones aus L.A. ist Artist - Dancer und Musiker in der HafenCity-Musichall. Rick spielt schon seit fünf Jahren die West Side Story. Die kreative Steffi hat einen Coffee Shop aufgemacht, ein Food Point oder Stylish Store wäre auch toll gewesen. Der Rentner Karl hat vor 3 Wochen die City-Olympics hautnah erlebt und wünscht sich das für 2016 gleich nochmal. Und Mo, die bei „Virtual Touristic“ arbeitet, meint: „Wenn du willst, musst du nirgends woanders mehr hin, hier gibt es einfach alles und die Szene ist auch da.“ Nach einer virtuellen Busreise durch die HafenCity gucke ich nochmal aus dem Fenster, aber ich kann beim besten Willen keinen Baubeginn erkennen. Ich frage die Damen am Infotresen wie das denn jetzt mit dem Kaispeicher sei. Das sei alles nicht so einfach, mit etwas Glück, könne im nächsten Frühjahr etwas zu sehen sein. Durch den Einbruch der Medienbranche sei es aber schwieriger geworden, Mieter zu finden. Ob denn da jetzt überhaupt noch etwas stattfinden würde, Parties oder so. Vor Kurzem sei für einen Tag ein Casino mit allem drum und dran im Kaispeicher eingerichtet worden. So etwas mache nicht die Gesellschaft für Hafen- und Standortentwicklung -die GHS- selber, müsse aber immer mit ihr abgesprochen werden. Zum Beispiel sei da letzten Sommer eine Künstlerinitiative gewesen, die habe sowas kritisches mit der HafenCity machen wollen. Die GHS sei dagegen gewesen, aber die Euroland, die den Kaispeicher projektiert, sei dafür gewesen und habe gesagt, dass die HafenCity sowas schon aushalten müsse.

ready2capture! HafenCity - ein urbaner Raum? Mit dem Projekt >ready2capture, HafenCity, ein urbaner Raum?< wurden die politischen Bedingungen und ideellen Setzungen des Imageproduktes HafenCity untersucht und der offiziellen Beschreibung des „größten europäischen Stadtentwicklungsprojektes“ wurde eine Beschreibung entgegengestellt, die nicht als „Marke Hamburg mit allen Stärken aufgeladen und auf allen Kanälen kommuniziert werden muss.“ ( zitiert nach „Hamburg soll jetzt eine Marke werden“, Hamburger Abendblatt 14. April 2002,). ready2capture richtete sich für die Dauer der artgenda 2002 in den ehemaligen Kontorräumen des Kaispeichers A ein.

Ende Oktober 2001 reichen wir, tetrapak, unser Konzept bei der Jury für die artgenda Biennale ein und stellen es der Kulturbehörde, Abteilung Kunst im öffentlichen Raum vor. Diese weist uns darauf hin, dass alle Kunstprojekte in der HafenCity mit der Gesellschaft für Hafen- und Standortentwicklung abgestimmt werden müssen. Im ersten gemeinsamen Treffen mit der GHS und der Kulturbehörde äußert die GHS vor allem aufgrund unseres Konzeptes Bedenken, in dem wir das HafenCity Modell im Kesselhaus als sinnentleert und marketingorientiert bezeichnen. Das Projekt wird zudem von der GHS mit dem Hinweis auf das zu wahrende Informationsmonopol der GHS als überflüssig angesehen und es wird befürchtet, dass wir das Image der HafenCity beschädigen könnten. Wir werden dazu aufgefordert, das Konzept zu überarbeiten. Wir streichen den betreffenden Satz und beim nächsten Treffen mit der GHS wird - aufgrund der Befürchtung um Konkurrenz - ein Raum in unmittelbarer Nähe zum Infocenter der GHS für uns ausgeschlossen. Wir schlagen deshalb die ehemaligen Kontorräume im Kaispeicher A vor, für die die Euroland GmbH? verantwortlich ist. Für das Standortmarketing im Kaispeicher A hat sie wiederum die Agentur eventlabs beauftragt. Das hierfür von eventlabs gegründete Label Rangavila, aus dem indischen übersetzt „der fünfte, eingezäunte Bereich am südlichen Himmelstor“, veranstaltete letzten Sommer Smartcarpräsentationen, Parties und Barbecues im Kaispeicher. Mit Bauzäunen, Security, Gästelisten und Stacheldraht machte eventlabs diese Veranstaltungen zu exklusiven Events.

In unserem ersten Treffen mit eventlabs betonen diese, dass sie unser Vorgehen einer kritischen Auseinandersetzung mit der HafenCity verstehen und für legitim halten, dass aber die MediaCityPort Gmbh bzw. Euroland hierbei keinen Imageschaden erleiden dürfte. Beim nächsten Treffen mit Euroland und eventlabs erkundigt sich Euroland nach der Position der GHS. Wir überreichen das geänderte Konzept. Die Parallelität von kritikhaltigen Theorieveranstaltungen mit Barbetrieb unsererseits und VIP - bzw. Präsentationsparties von eventlabs andererseits wird von diesen problematisiert, da sie erneut einen Imageschaden befürchten. Euroland räumt diese Bedenken mit dem Hinweis auf die eingeschränkten Möglichkeiten von Kunst aus und verweist darauf, dass die Idee der HafenCity bereits gescheitert sei, wenn sie ein solches Projekt nicht verkraften würde. Der GHS widerstrebt nach wie vor die Vorstellung eines „alternativen Infocenters“. Die Euroland vermittelt mit dem Vergleich zu dem Verhältnis von Politik und Satire. Endlich erhalten wir das O.K. von Euroland und GHS. Zutritt zu den Räumen erhalten wir dagegen erst vier Tage vor der Eröffnung der artgenda, die Schlüssel erst drei Tage danach. Die gemieteten Räume werden tagsüber von den artgenda Künstlerinnen als Arbeits- und Ausstellungsräume genutzt. Von hier aus wird direkt ins HafenCity Gebiet investigiert, Spaziergänger und Baggerfahrer werden interviewt, Material gesammelt. Abends wird der Kontor zum Vortrags-, Kino- und Barraum für die eingeladenen Soziologen, Stadtethnologen und politischen Initiativen. Verwechslungen der Locations und verirrte Gäste bleiben bei Parallelveranstaltungen von eventlabs und ready2capture! nicht aus. Nach der artgenda verlassen wir die Kontorräume.

P.S.: als Weiterführung und Dokumentation entstand das Buch [ready2capture! HafenCity - ein urbaner Raum?], Hg. von tetrapak, erschienen bei b_books, Berlin, 9 Euro, ISDN 3933557372


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