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Bilder des Wohlstands – Politik der Kontrolle
von Anke Haarmann // tetrapak

Die Hamburger HafenCity ist kein Stadtentwicklungsprojekt, sondern ein Investitionsprojekt. Die Computer animierten Zukunftsbilder vom neuen Stadtteil lenken von dieser ökonomischen Zielsetzung nur ab. Es geht nicht um innovative Architektur oder die offene Diskussion über die Zukunft der Stadt, sondern um die Kontrolle über den Raum, der für Investoren rein gehalten werden soll.

Der Kaispeicher A auf dem Gelände der zukünftigen HafenCity ist in jeder Hinsicht ein Wahrzeichen. Bullig steht seine markante Dreiecksform auf der Spitze des Dalmannkai und weist in den Hafen, die Elbe hinab, den ankommenden Schiffen entgegen. Er ist ein Lagergebäude, das die vergangene Hafengeschichte versinnbildlicht. Seine riesige Backsteinarchitektur beherbergte einst Güter aus Übersee. Seine gewaltigen Portalkräne hoben Schiffsladungen an Land und seine rauen Mauern dienten den Hafenarbeitern und Barkassenschippern als Schreibgrund zur Artikulation politischen Selbstbewusstseins: „Heraus zum Roten 1. Mai“ steht auf der östlichen, dem Wasser zugewandten Seite geschrieben. Der Kaispeicher A ist ein schützenswertes Gebäude. Er ist einer der wenigen Lagerhäuser, die übrig geblieben sind, während der Rest der Schuppen abgerissen wurde. Das Areal ist in ein ebenmäßiges Sandbett gekleidet. Diese Bereinigung war nötig, weil das Gelände von Industrie- und Hafenbaracken besetzt war und nicht hochwassersicher ist. Ein neues Stadtviertel soll hier in den nächsten 20 Jahren entstehen, aber die Flächen sind dafür eigentlich nicht geeignet. Sie müssen entrümpelt, von Industriegeschichte befreit, gegen das Elbwasser gesichert und für zukünftige Investoren vorbereitet werden. Vor allem die Hochwasserschutzmaßnahmen treiben die Grundstückspreise der HafenCity in die Höhe. Unklar ist, wie viel Millionen Euro die Stadt Hamburg schon in die Aufbereitung der Flächen investiert hat, die sie an Investoren Gewinn bringend oder zumindest Image steigernd verkaufen will. Ursprünglich wollte man Geld mit den Grundstücken einnehmen. Man ist bescheidener geworden. Man will jetzt Imagepolitik machen. Aber auch das scheint zu scheitern.

Von seiner ursprünglichen Umgebung freigestellt und von offenen Sandflächen umgeben, ist das alte Gebäude des Kaispeicher A tatsächlich zum Wahrzeichen geworden – ein Mahnmal in zweifacher Hinsicht: Hoch erhoben weist seine Silhouette als sperriges Denkmal in die Geschichte der Hafenwirtschaft zurück. Einsam auf weiter Sandflur kündet das Gebäude auch vom bisherigen Scheitern des HafenCity Projekts. Denn der Kaispeicher sollte zum Markenzeichen für die Zukunft des neuen Hafenstadtteils umgebaut werden. Architektonisch markant würde seine dreieckige Grundstruktur bewahrt bleiben und ein gigantischer Turm als neues Element integriert werden. Dieser gläserne Turm, der aus dem steinernen Kaispeicher emporragte, wäre geknickt. Er verbeugte sich vor den ankommenden Schiffen und vor der Zukunft des neuen Medien-Stadtteils. Denn als „MediaCityPort“ würde der neue Kaispeicher A zum Heimathafen für Medienfirmen aller Art, die ihre Büros in seinen Gemäuern niederlassen sollten. Er wäre Zentrum und strahlender Nukleus einer Wirtschafts-, Standort-, Image- und Stadtentwicklungspolitik, die auf new economy in new media setzt.

Im HafenCity-Informationszentrum, dem so genannten „Kesselhaus“ in der Speicherstadt und auf den offiziellen Internetseiten, kann man diese Vision nachvollziehen, die sich Hamburgs Politiker mit dem Projekt der HafenCity ausgemalt hatten. Dort versprechen aufwändig inszenierte Bilderwelten die Verwirklichung eines Stadtteils, in dem alles medienneu und zukunftsträchtig ist. Eine Landschaft wird gezeichnet, in der neue Technologien, neue Wirtschaftsformen und neue Lebensstile im blassbläulichen Ton der Computeranimation harmonisch koexistieren. Das Wohnen und Arbeiten am Wasser ist in karibikfarbenes Türkis getaucht. Weiße Segelyachten und Quellwölkchen verheißen auch besseres Wetter für Hamburg. In virtuellen Rundflügen kann der Betrachter kathedralenartige Häuserschluchten durchsegeln. Das architektonische Modell veranschaulicht die gigantische Größe des Areals. Mit der HafenCity scheint die Vision von einer wohlhabenden Zukunft bauarbeiterlich in Beton gegossen und ingenieurtechnisch in Glasfaser gelegt zu werden. Diese Bildproduktion, die mit dem Bewerben der HafenCity einhergeht, ist so bezeichnend, weil sie von der Wunschenergie des Visionären beflügelt wird. Die HafenCity existiert noch nicht, daher weist sie scheinbar unbelastet ins nächste Jahrtausend. Das enthemmt die Stadtplaner und euphorisiert die Architekten. Diese Euphorie ist an sich kein Problem. Die HafenCity steckt voller bemerkenswerter Ideen und guter Konzepte und vor der optischen Kulisse der Brachfläche scheint die Wunderwelt der wohlhabenden Zukunft wie greifbar. Doch Imagepolitik ist eine wesentliche Regierungstechnik geworden. Die experimentierfreudigen Stadtentwicklungsbroschüren, der dynamische Masterplan oder das interaktive Modell im Kesselhaus sind im wesentlichen imagebildende Maßnahmen. Es handelt sich um Bilder, die an der Oberfläche des HafenCity-Projekts, dessen ökonomischen Kern verdecken. Mit der HafenCity geht es weniger um innovative Stadtentwicklung, experimentelle Architektur, dynamische Prozesse und nachhaltige Bebauung, sondern im Wesentlichen um Finanzpolitik. Die HafenCity ist eine Immobilienspekulation der Stadt Hamburg. Durch Verkäufe der Grundstücke sollte die Finanzierung des Containerterminals in Altenwerder gesichert werden. Diese finanzpolitische Strategie ist aufgegeben. Das ändert aber nichts daran, dass Hamburg die Zinsen für jene Kredite noch zahlt, die den Containerterminal finanziert haben und für deren Vergabe die Grundstücke der HafenCity belastet wurden. Die neue Strategie im Umgang mit der HafenCity ist eine der wirtschaftlichen Standortpolitik. Durch das visionäre Bild vom zukunftsträchtigen und attraktiven Stadtteil, sollen finanzkräftige und florierende Unternehmen angezogen und zur Ansiedlung in der HafenCity bewegt werden. Das standortpolitische Kalkül hat aber kontrollpolitische Konsequenzen. Die virtuelle HafenCity hat schon jetzt eine heimliche Stadtmauer, deren Torhüter die Kriterien für den Einlass festlegen und an neugierigen Individuen überprüfen. Gruppen, die sich auf dem Terrain der zukünftigen HafenCity mit dieser auseinandersetzen wollen, durchlaufen einen Kontrollprozess. Es gibt keinen Ort auf dem Areal der zukünftigen HafenCity, der ohne die Genehmigung der privatwirtschaftlich geführten GHS genutzt, bespielt oder belagert werden kann. Der GHS obliegt die Aufgabe, die HafenCity als Produkt zu vermarkten und als Immobilie an Investoren zu verkaufen. Jede Form der Zwischennutzung, wo überhaupt erwünscht, wird auf den imagebildenden Mehr-Wert hin überprüft, den sie für eine positive Standortpolitik schöpfen kann. Kritische Projekte, die den Planungsprozess der HafenCity in Frage stellen, sind weniger erwünscht als denkmalpflegerische Vorhaben, die dem Erhalt der Krantechnik aus der Jahrhundertwende dienen. Noch bevor sie wirklich wird, normiert die HafenCity den HafenCity Nutzer und dieser stört den reibungslosen Ablauf der Finanz- und Standortpolitik besser nicht. Die Flächen der virtuellen gated-community werden überwacht und sauber wie ein Vorgarten gehalten.

Als bereinigte Brache eignet sich die HafenCity vortrefflich als Projektionsfläche für die schnell wechselnden Bilder des Wohlstands. Wie ein Diakarussell werden die „wachsende Stadt“, die Medien- und Informationsbranche oder zuletzt Bauvorhaben für Olympia 2012 auf die leeren Sandflächen projiziert. Alle diese schönen Bilder verschwinden aber ebenso schnell von der Bildfläche, wie sie aufgetaucht sind. Die Medieneuphorie kam und verging. Einzig und alleine das Gebäude der Software-Firma SAP wurde fertig gestellt und steht wie ein außerirdisches Ufo allein auf weiter Flur. Im Imaginären prosperiert der zukünftige Stadtteil, im Realen bleiben die Rechnungen offen: 9,47 Mio. Euro hat die Stadt Hamburg für die Olympia-Bewerbung ausgegeben, in deren planerischen Mittelpunkt die HafenCity stand. Über die Risiken und Nebenwirkungen dieser Investitionspolitik wird aber wenig verhandelt. Es ginge nämlich bei der ökonomischen Diskussion nicht mehr darum, euphorisch die urbane Perspektive der HafenCity zu feiern, sondern kritisch die Rechnung zu überprüfen, die Hamburg mit dem Projekt aufgemacht hat. Grundsätzlich ist gegen städtische Finanzpolitik nichts einzuwenden. Auch Stadtentwicklung ist sinnvoll und gut. Wenn aber unter dem Image der innovativen Stadtentwicklung nur die Investitionspolitik jeder öffentlichen Diskussion entzogen wird, wenn Standortpolitik im Gewand der urbanen Entwicklung auftritt, tatsächlich aber Mechanismen der Kontrolle erzeugt, dann ist eine politische Schieflage erreicht. Wenn darüber hinaus der ganze Aufwand an Imagebildung, Kontrollpraxis und Flächenbereinigung nicht einmal zum standortpolitischen Etappenziel führt, wenn das Areal investorenarm und gebäudefrei bleibt, dann wird die Situation vollends grotesk. Die einen dürfen nicht hin, die anderen wollen nicht bauen, die meisten zahlen dafür und keiner merkt es.

Die leeren Hallen, des nach wie vor unbebauten Gebäudes des Kaispeichr A, machen den Speicher zum vorzüglichen Markenzeichen. Er ist das Sinnbild einer HafenCity voller unerfüllter Träume, verschobener Anfänge, verschlossener Tore, heimlicher Kämpfe und ungeführter Diskussionen.


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