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Raumsuche
von MalteWillms // TetraPak

Im Verlaufe der langwierigen Verhandlungen, zeitweiligen Zutritt zu einer Räumlichkeit auf dem Planungsgelände der HafenCity zu bekommen, waren wir als Gruppe TetraPak mit folgenden Institutionen konfrontiert: Mit der Kulturbehörde Hamburg, Abteilung Kunst im Öffentlichen Raum sowie den Verantwortlichen der Organisation der Ostseebiennale artgenda 2002. Mit der städtischen Entwicklungsgesellschaft GHS (Gesellschaft für Hafen- und Standortentwicklung, einem ehemaligen Tochterunternehmen der HHLA, der Hamburger Hafen- und Lager AG), die von der Stadt mit der Entwicklung der HafenCity betraut worden ist. Mit der EuroLand Gmbh, die als Teil der MediaCityPort Gmbh, einem Zusammenschluss mehrerer nationaler und internationaler Projektentwickler, den MediaCityPort als Immobilie entwickeln und promoten. Mit der Marketingagentur EventLabs, die im Auftrag der EuroLand den KaispeicherA als zukünftigen MediaCityPort in der Öffentlichkeit bereits vor Baubeginn durch Firmen- und Produktpräsentationen sowie durch Parties bekannt machen soll. Die Verhandlungen selbst erstreckten sich über einen Zeitraum von über acht Monaten. Unser ursprüngliches Konzept hatte die Öffnung eines Raumes mindestens ein halbes Jahr vor dem offiziellen Beginn der artgenda vorgesehen, um den Ort selbst langfristig zu entwickeln und durch Vorträge und Diskussionen in der Hamburger Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dies wurde von uns als Voraussetzung dafür gesehen, den mit uns kooperierenden Künstlerinnen eine funktionierende Plattform für die Auseinandersetzung mit dem Planungsprozess der HafenCity für die Dauer der artgenda anbieten zu können.

Chronologie:

Ende Oktober 2001 reichen wir das Konzept für ReadyToCapture bei der artgenda-Organisation termingerecht ein. Unser Raumvorschlag ist das „KachelHaus“ (ein 50er Jahre Flachbau mit weiß gekachelter Frontfassade) direkt neben dem offiziellen Infocenter - dem KesselHaus - der GHS am Sandtorkai, dem ehemaligen Kraftwerk der historischen Speicherstadt. Aufgrund der räumlichen Nähe zum offiziellen Infocenter erscheint es uns für eine öffentliche Debatte als idealer Ort. Die artgenda-Organisation leitet aufgrund der Zuständigkeit Raumvergabe auf dem Gelände der HafenCity unser Konzept an die Abteilung Kunst im Öffentlichen Raum weiter. Bei einem ersten Treffen mit der Kulturbehörde werden wir darauf hingewiesen, dass die GHS bei allen Fragen der Raumvergabe und Genehmigung von Kunstprojekten auf dem Entwicklungsgelände der HafenCity die Entscheidungsgewalt innehat. Unser Konzept wird an die GHS weitergeleitet.

Zwischenzeitig wird das von uns favorisierte KachelHaus neben dem KesselHaus abgerissen, wohl da es als 50er Jahre Flachbau nicht in die historische und – für die HafenCity von zentraler Bedeutung – millieubildende Fassade der Speicherstadt passt. An diese Stelle soll die alte Oberhafen-Kantine (ein vom Einsturz bedrohtes Backsteingebäude unterhalb der Oberhafenbrücke, das als sogenannte „Kaffeeklappe“ über 70 Jahre hinweg der Verpflegung der Hafenarbeiter auf ihrem täglichen Weg zur Arbeit gedient hat) versetzt werden. Zur Zeit findet man dort einige Bänke und Kiesflächen. Wir werden von der Kulturbehörde aufgefordert, neue Raumvorschläge zu machen, und stellen eine Liste von unserer Meinung nach in Frage kommenden Räumlichkeiten zusammen.

Bei dem darauf folgenden Treffen mit der GHS und der Kulturbehörde äußert die GHS Bedenken: Der von uns im Konzept formulierte Kunstbegriff einer partizipatorischen Praxis wird weder verstanden noch geteilt. Es wird auf die bereits erfolgte Debatte der Abschlussveranstaltung von >Aussendienst< (Projekte Kunst im Öffentlichen Raum, Kulturbehörde HH 2001) im KesselHaus über Kunst und ihre Rolle im Entwicklungsprozess der HafenCity verwiesen. Insbesondere an unserer Bezugnahme auf das offizielle HafenCityModell im KesselHaus wird Anstoß genommen. Unser Projekt wird nicht als konstruktive Ergänzung oder als diskursives Angebot für die Öffentlichkeit, sondern als Bedrohung für das Image der HafenCity gewertet. Wir werden darauf hingewiesen, dass die GHS nur von ihr als unterstützenswert erachtete Projekte finanziert. Eine Finanzierung seitens der GHS wird von uns nicht gewünscht. Wir führen aus, dass wir auch ohne Einverständnis der GHS auf der Umsetzung unseres Projektes bestehen werden und dass das offizielle Infocenter, zumindest seinem Verständnis nach, ein Forum der öffentlichen Auseinandersetzung sei, das wir zu nutzen gedächten. Wir werden von der GHS zur Überarbeitung des Konzeptes aufgefordert, wovon eine Entscheidung über die Vergabe von Räumlichkeiten an uns abhängig gemacht wird.

Bei dem anschließenden Treffen mit der Kulturbehörde wird Zuversicht bezüglich einer Einigungsmöglichkeit mit der GHS geäußert. Das bisherige Konzept wird durchgesprochen. Sollte es jedoch zu keiner Einigung kommen, müssten Ausweichmöglichkeiten in Betracht gezogen werden. Wir prüfen alternative Raummöglichkeiten im Hamburger Stadtraum, unter anderem in der Innenstadt in unmittelbarer Nähe zum Rathaus sowie in nicht innenstadtnahen Stadtteilen wie Veddel und Wilhelmsburg. Auch eine mobile Variante mit Transportern und Info-Containern wird von uns durchgespielt, die uns zum einen eine räumliche Präsenz in der HafenCity und zum anderen eine gewisse Unabhängigkeit von den Entscheidungen der GHS ermöglichen würde. Wir konkretisieren unser Konzept, wobei wir kritische Formulierungen, an denen seitens der GHS Anstoß genommen wurde, entfernen. Wir versuchen unser Anliegen, eine öffentliche Debatte über den Planungsprozess anzuregen und gleichzeitig den eingeladenen artgenda-Künstlerinnen eine produktive Plattform zu bieten, verständlich zu machen. Dafür präzisieren wir das von uns konzipierte Rahmenprogramm aus Vorträgen, Diskussionen und Bustouren in verschiedene Hamburger Stadtteile. Das Konzept wird in seiner überarbeiteten Form an die Kulturbehörde und die GHS weitergeleitet.

Die GHS äußert – aufgrund von in unserem Konzept abgebildeten Zeichnungen, die eine mobile Containervariante illustrieren – erneut ihre Bedenken: Sie wünschen unsererseits keinerlei „Konkurrenz“ und schließen daher die unmittelbare räumliche Nähe zum KesselHaus aus. Bei einem ersten Treffen mit der Marketingagentur EventLabs und der Kulturbehörde im KaispeicherA („dem zukünftigen MediaCityPort“), werden die Möglichkeiten, die alten Bürokontorräume anzumieten, erörtert. EventLabs betonen, dass sie unser Vorgehen einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Planungsprozess der HafenCity verstehen und für legitim halten, schränken aber dahingehend ein, dass ihre Auftraggeber, die MediaCityPort Gmbh bzw. die EuroLand hierbei keinen Imageschaden erleiden dürften. Eine Vergabe der Räumlichkeiten an uns sowie der Abschluss eines dafür nötigen Mietvertrags wird von einem Einverständnis der GHS und der MediaCityPort Gmbh respektive EuroLand sowie der HHLA abhängig gemacht.

Bei dem darauf folgenden Treffen mit der EuroLand und EventLabs erkundigt sich EuroLand nach der Position der GHS. Wir schildern den bisherigen Ablauf der Verhandlungen und räumen ein, dass es Verständigungsprobleme bezüglich der Darlegung unseres Anliegens gegeben hat. Wir übergeben die überarbeitete Version des Konzepts, die daraufhin durchgesprochen wird. Die Parallelität der von uns konzipierten Veranstaltungsreihe zu den von EventLabs organisierten VIP-Parties und Produktpräsentationen wird problematisiert, was wir mit dem Hinweis auf überschaubare Besucherzahlen unseres Rahmenprogramms zu entkräften suchen. Die Vorstellung, wir könnten vor Ort kritikhaltige Theorieveranstaltungen durchführen, provoziert eine Reaktion seitens EventLabs, die erneut drohenden Imageschaden befürchten. Die Möglichkeit, außerhalb der HafenCity gelegene Institutionen wie z.B. den Kunstverein zu nutzen, soll geprüft werden. Die EuroLand dagegen hält die Bedenken für unangemessen und verweist auf die eingeschränkten Möglichkeiten von Kunst. Außerdem wird konstatiert, dass ein Projekt wie die HafenCity künstlerische Auseinandersetzung und Kritik aushalten können müsse, ansonsten sei das Projekt HafenCity als Ganzes in Frage zu stellen. Die EuroLand nimmt spontan telefonisch mit der GHS Kontakt auf und signalisiert, dass es ihrerseits keinerlei Bedenken bezüglich einer Raumvergabe im KaispeicherA an uns gibt. Der GHS widerstrebt immer noch die Vorstellung eines „alternativen Infocenters“. Die EuroLand versucht mit einem Vergleich zu dem Verhältnis von Politik und Satire zu vermitteln. Anschließend erhalten wir das O.K. der MediaCityPort Gmbh bzw. der EuroLand sowie ein vorläufiges Einverständnis der GHS. EventLabs werden von der EuroLand mit der Durchführung rechtlicher und vertraglicher Angelegenheiten betraut.

In der bis zur offiziellen Eröffnung der artgenda verbleibenden Zeit sind wir damit beschäftigt, uns um die vertragliche Regelung der temporären Vermietung der Räumlichkeiten mit EventLabs zu bemühen. Vier Tage vor der Eröffnung erhalten wir das erste Mal eingeschränkten Zugang. Bereits nach erfolgter Ankunft der Künstlerinnen müssen wir jedesmal, wenn wir die Räume betreten wollen, einen Termin mit EventLabs vereinbaren. Auch das Verlassen der Räume muss abgesprochen werden. Vier Tage nach der Eröffnung der artgenda im Rathaus und drei Tage nach der Eröffnung unserer Projekträume erhalten wir für die verbleibenden 12 Tage die Schlüssel für einen unabhängigen Zugang zu den Kontorräumen im KaispeicherA. Der Aufbau eines Ortes zur Auseinandersetzung mit dem Planungsprozess der HafenCity, die Einrichtung der Arbeitsplätze sowie der Präsentationsmöglichkeiten für die zwölf mit uns kooperierenden Künstlerinnen erfolgt unter hohem Zeitdruck und bleibt bis zum Schluss der artgenda ein unbefriedigendes Provisorium. Der von EventLabs mit uns abgeschlossene Vertrag enthielt die Klausel, dass jegliche Nennung des Veranstaltungsortes KaispeicherA in unseren Veröffentlichungen und Ankündigungen den Zusatz „zukünftiger MediaCityPort“ tragen muss.

Malte Willms

Siehe auch # RaumSucheReadyToCapture1 und # RaumSucheReadyToCapture2 aus den Projektvorbereitungen zu ReadyToCapture.


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